Der VW-Abgas-Skandal weitet sich immer mehr aus, doch welche Rechte stehen dem Käufer eines von der Manipulationssoftware betroffenen Fahrzeugs zu? Neben den gesetzlichen Gewährleistungsrechten (Nacherfüllung, Minderung, Rücktritt, Schadenersatz) kommt auch die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung in Betracht.
Der Dieselmotor vom Typ EA 189, der mit den Hubräumen von 1,2, 1,6 oder 2,0 Liter ausgestattet ist, sind vom Abgas-Skandal betroffen. Seit dem 3.11.2015 weitet sich der Abgas-Skandal nun auch auf den 3,0 Liter Dieselmotor, welcher neben den entsprechenden VW-Modellen auch bei Audi und Porsche verbaut wird, aus. Ob Ihr Fahrzeug tatsächlich betroffen ist, können Sie unter Angabe der Fahrzeugidentnummer auf der jeweiligen Hersteller-Homepage in Erfahrung bringen. Bei den 2,0-Liter- und 1,2-Liter-Motoren reicht laut VW offenbar ein Software-Update aus, um den Mangel zu beheben. Bei den 1,6-Liter-Aggregaten muss zusätzlich auch neue Hardware verbaut werden, die Medienberichten zufolge teilweise noch nicht einmal produziert ist.
Welche Rechte stehen Ihnen als Käufer zu?
Voraussetzung für sämtliche Ansprüche ist ein „Mangel“ der erworbenen Sache. Vorliegend dürfte der Mangel bereits darin bestehen, dass die Motoren tatsächlich mehr Schadstoffe, nämlich Stickstoffoxide, ausstoßen als in der Produktdarstellung des Herstellers angegeben. In europäischen Abgasnormen sind die zulässigen Höchstwerte für die Emissionen von Schadstoffen festgelegt, welche bei der Typengenehmigung (z.B. durch das Kraftfahrtbundesamt, KBA) einzuhalten sind. VW hat mit der genutzten Software die Stickoxidwerte im Prüfstandlauf „optimiert“, so dass die Grenzwerte für die EU-Normen eingehalten wurden. Im Normalbetrieb des Fahrzeugs, welchen die Software erkannt hat, wurden die Werte dann aber nicht mehr eingehalten und überstiegen diese bei Weitem. Dieses Verfälschen von Abgaswerten ist nach der europäischen Fahrzeugemissionen-Verordnung unzulässig.
Wenn also eine gekaufte Sache mit einem Mangel behaftet ist, stehen dem Käufer per Gesetz (§§ 437 ff. BGB) Gewährleistungsrechte zu. Dabei handelt es sich im Einzelnen um die Folgenden:
- Nacherfüllung (Nachbesserung)
- Minderung
- Rücktritt
- Schadenersatz
VW plant den Mangel im Wege der Nachbesserung zu beheben und wird hierfür eine angekündigte Rückrufaktion der betroffenen Fahrzeuge ausrufen. Im Falle von VW-Fahrzeugen kommen aber auch nach der seitens VW geplanten Nachbesserung weitere Mängel in Betracht. So vermuten Experten durch die Softwareanpassung einen erhöhten Verbrauch, reduzierte Leistung oder auch eine mögliche Wertminderung des Fahrzeugs (beim Wiederverkauf). Schäden in Form von Mehrkosten wegen Zulassungsbestimmungen oder KfZ-Steuer dürften dagegen ausgeschlossen sein. Fraglich ist hier jedoch, ob es VW gelingt, durch die im Wege der Rückrufaktion durchgeführten Arbeiten, tatsächlich die geforderten Werte einzuhalten. Hieran habe ich derzeit erhebliche Zweifel.
Darüber hinaus besteht die Gefahr der Problemverlagerung. Sollte durch die seitens VW vorgenommen Änderungen am Fahrzeug z.B. ein erhöhter Verbrauch, eine verminderte Leistung oder verkürzte Serviceintervalle nach sich ziehen, würde nach wie vor ein Mangel vorliegen, da die Beschaffenheit des Fahrzeugs von der Sollbeschaffenheit (Angaben des Herstellers) abweicht.
Die Gewährleistungsrechte des Käufers verjähren jedoch nach 2 Jahren ab Überlassung des Fahrzeugs (Auslieferung) bei Neuwagen und in der Regel bereits nach 1 Jahr beim Gebrauchtwagenkauf, so dass diesbezüglich Eile geboten sein dürfte. Mir ist es bereits in anderen vom Abgas-Skandal betroffenen Fällen gelungen, seitens VW einen Verzicht auf die Einrede der Verjährung bis zum 31.12.2016 zu erringen.
Neben den vorstehenden Gewährleistungsrechten, die der Gesetzgeber dem Käufer an die Hand gibt besteht auch noch das Recht zur Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung gem. § 123 BGB. Die Anfechtungsfrist beträgt 1 Jahr. Hier beginnt die Frist jedoch erst mit Kenntnis des Käufers zu laufen. Dabei ist jedoch nicht darauf abzustellen, wann Sie anhand Ihrer Fahrzeugidentnummer auf der Homepage des Herstellers tatsächlich Kenntnis erlangt haben, sondern es dürfte vielmehr von der 39 Kalenderwoche (21.-27.9.2015) auszugehen sein, da in dieser Woche der Abgas-Skandal in den Medien verbreitet wurde und somit jeder hiervon Kenntnis erlangt haben dürfte.
Derzeit gibt es zu dem Thema noch keinerlei Rechtsprechung, auf die zurückgegriffen werden kann. Allerdings sind im vorliegenden Fall erhebliche Parallelen zu den Fällen bzgl. des abweichenden Kraftstoffverbrauchs (Herstellerangaben und tatsächlicher Verbrauch) zu erkennen (vgl. OLG Hamm 7.2.2013, 28 U 94/12; OLG Frankfurt, 22.12.2011, 25 U 162/10), so dass eine vergleichbare 10%-Rechtsprechung auch vorliegend denkbar wäre.
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